Soeben kam ich in die Notwendigkeit, meinen Plattenspieler wieder in Betrieb zu nehmen. Eine Doppel-LP vom "War of the Worlds"-Musical liegt geliehenerweis bereits seit einigen Monaten in meiner Obhut (danke und sorry Dani) und hat mittlerweile bereits beträchtlich Staub angesetzt als ich mich zu diesem Schritt entschliesse. Dieser Schritt wäre: Den Plattenspieler an den PC anzustöpseln und die Platte zwecks leichterer Konsumierung in ein Format des 21ten Jahrhunderts, natürlich MP3, zu gießen.
Merkwürdigerweise scheint der Plattenspieler nicht am ständigen Umverteilungskampf der knappen Ressource Strom in meinem Büro teilgenommen zu haben, er hat tatsächlich noch eine Steckdose aus grauer Vorzeit allokiert. Chinch-Ausgänge desselben per Klinkenadapter dem Line-Eingang der Soundkarte eingeführt, Kinderspiel.
Nun zum schwierigen Part: Entfernen von noch auf dem Plattenteller geparkten Medien. Dort liegt das von mir allseits geliebte Tubular Bells in der Originalform. Tatsächlich scheint dies die letzte Platte gewesen zu sein die ich gehört habe, obwohl ich sie in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt wohl kaum ein halbes dutzend Male, meistens mit wachsendem Widerwillen, konsumiert habe (siehe
hier).
Naja, wie auch immer, ich hebe die schwarze Scheibe mit jeweils einem Zeigefinger an entgegengesetzen Enden an und lotse sie aus dem Gehäuse. Unmittelbar darauf unterläuft mir ein fataler Fehler. So wie ich es inzwischen bei den wesentlich kleineren CDs gewohnt bin versuche ich, mit dem Zeigefinger das Mittelloch zu ergreifen und mit dem Daumen den Gegenstand in Richtung Aussenrand zu stabilisieren. Da ich jedoch keine Bärenpranken habe muss dies fehlschlagen und ich Versuche die Platte mit der Fläche der anderen Hand hochzuhalten. Die erweist sich jedoch als recht rutschig, was ich - nächster fataler Fehler - mit zunehmenden Druck beider Hände auszugleichen versuche. Der Gegenstand quittiert dies mit einem sehenswerten Salto vorwärts und landet scheppernd flach auf dem Boden.
Einige Flüche später habe ich die Scheibe wieder vom Boden gehoben und manövriere sie Richtung Plattenständer (ja, auch der steht bei mir noch unter freiem Licht, komisch eigentlich). Dort mache ich die Hülle ausfindig und lasse die Platte einigermaßen elegant hineingleiten. Diese schrappt dabei jedoch bedenklich gegen die spröde Pappe.
Ich denke "Hm, dass die Dinger da nicht irgendwann verkratzen. Ganz schön unpraktisch diese Platten. Da gehört doch noch eine Schutzhülle drum". Und natürlich fällt mir in diesem Moment ein, dass Platten
natürlich früher in der Regel diese weissen Papierhüllen besassen, just in dem Moment wo ich sehe das mir besagter Gegenstand aus dem Plattenständer heraus entgegenlugt.
Also nehme ich die Schützhülle, lasse die Platte hineingleiten. Stecke die Schutzhülle in die Aussenhülle und diese in den Ständer. Dabei halte ich die offene Kante letzterer extremst-dummerweise für einen Sekundenbruchteil nach unten, woraufhin die so genannte Schützhülle wie geölt aus ihrer Verpackung schiesst und mitsamt empfindlichen Medium per lautem KAPONG! auf dem Laminat landet.
Ganz offensichtlich ist die heutige Generation von Musikkonsumenten - mit Sicherheit aber ich - durch Umgang mit diesen verteufelt neumodischen und relativ handlichen Medien wie CDs, motorisch komplett ausser Lage gestellt worden, mit so etwas im eigentlichen Sinne unhandlichen und unpraktischem wie einer Langspielplatte umzugehen. Anfangs angesprochene Fremd-Platte werde ich nun derart filligran handhaben, als wenn ich mit Nitroglyzerin hantieren würde. Ich werde die Geschwindigkeit aller Aktionen auf ein Drittel des Normalen reduzieren und mich vor jedem abrupten Richtungs- oder Haltungswechsel fragen, "Hast du dir das physikalisch auch alles wohl überlegt? Gewicht, Dimensionen und Oberflächenstruktur des Gegenstandes korrekt einbezogen? Gut, dann vorsichtig weiter..."
Wünscht mir Glück.