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Ausge-mac-t

Als ich vor drei Wochen (oder so) aus meinem wohlverdienten Urlaub zurückkehrte hatte ich mit meinem MacBook etwas besonderes im Gepäck: Und zwar eine Ubuntu Linux-Partition die ich zuvor dort, nicht ohne Gegenwehr der Apple-Soft- und -Hardware, untergebracht hatte. Ja, ich bin Mac OS leid! Meine persönliche Mac-Hype-Kurve aus Begeisterung, Ernüchterung, abgeklärter Zugfriedenheit, latenter und schliesslich offener Unzufriedenheit (am Blog schön nachzuvollziehen) hat die letzte Phase erreicht.

Es ist nicht so dass ich garnicht damit zurecht kommen würde. Es ist nur so dass die Gründe, warum ich MacOS fürs Business benutze und nicht das von Zuhause bekannte Ubuntu, nach und nach eingedampft wurden - zum Teil weil MacOS mit Leopard nicht wirklich besser aber unzuverlässiger wurde, zum Teil auch weil Ubuntu in den letzten Releases mächtig aufgeholt hat. Des weiteren gab es selbst nach der inzwischen doch recht langen Nutzungszeit immernoch diverse kleine Ärgernisse, die einzeln nicht wirklich kriegsentscheidend machen, die aber doch dafür sorgten dass das Gras woanders plötzlich grüner aussah.
Was also hat mich wirklich von MacOS weggetrieben? Schmeißen wir mal ein paar Stichworte in die Runde:

Leopard
Bis auf Time Machine, was versucht magischer zu wirken als es ist, hat dieses Release für mich absolut keinerlei praktisch nutzbaren Neuigkeiten gebracht. Spaces ist ein "nice try" wenn man die Linux-Desktops kennt (die ich übrigens auch nicht nutze). Dasselbe gilt für BootCamp, Remote-Desktops, Video-Chat, sowie die Safari-Erweiterungen. All das gibt es woanders besser. Die Finder-Erweiterungen sind ein Witz (Cut&Paste wäre eine echte revolutionäre Neuerung gewesen ;-).

Eigentlich hatte ich also keinen Grund für das Update. Dennoch: Als Java-Entwickler verbietet es sich eigentlich kategorisch auf einem MacOS-Release zu verharren, schliesslich sind alle neuen Java-Releases an ein OS-Update gebunden (Frechheit eigentlich), also "upgraded" man trotzdem. Und dann... wenn selbst ich als kurzzeitiger Mac Anwender zwischen Tiger und Leopard einen drastischen Performance- und Zuverlässigkeits-Einbruch spüre möchte ich nicht wissen wie sich altgediente Mac-Recken fühlen die noch die Zeiten kennen in denen man besten Gewissens und mit breiter Brust behaupten konnte, dass Abstürze ja wohl für den Mac kein Thema seien. Es ist nicht so, dass das Ding jetzt permanent die Vollgrätsche macht (was auch oft genug vorkommt), aber es geschieht doch recht regelmäßig dass sich gewisse Teile des Systems plötzlich verabschieden oder unberechenbar werden, z.B. die Maus, der Selektionsmechanismus, die Menüumschaltung. Und das bevorzugt in "günstigsten Momenten". Da soll man nicht paranoid werden...

Bezeichnend dass als sich Apple als einziges Feature für die Nachfolge-Version "Snow Leopard" Performance und Zuverlässigkeit auf die Fahne geschrieben hat. Ob die die Dreistigkeit besitzen dafür dann auch nochmal Geld zu verlangen? Also wenn ich wetten müsste...

Desktop
Wenn man ehrlich ist gehen verschiedene alt-eingesessene Desktop-Konzepte von MacOS heute nicht mehr auf. Die fest installierte Menüzeile fand ich anfangs cool und praktisch. Tatsache ist aber, dass sie sich mit der Benutzung mehrerer Monitore schlicht überlebt hat. Will ich das Menü einer Anwendung, die sich in meinem "Neben-Desktop" befindet bedienen, so muss ich mit der Maus wieder zum Haupt-Desktop zurück. Noch idiotischer: Ich muss diese Anwendung erstmal überhaupt in den Fokus bringen, damit ich ihr Menü überhaupt zur Verfügung haben. Habe ich eine andere Anwendung gerade selektiert, so ist das ein hübscher Tanz über Tastatur und/oder Maus um einen Menüpunkt von einer Anwendung auf dem Neben-Desktop aufzurufen.

Dazu kommt der "System Tray"-Bereich auf der rechten Seite der Menüzeile, dessen Elemente durch überlange Menüs (Eclipse!) nach Bedarf automatisch ausgeblendet werden. Da ich die dort angeboteten Funktionen recht umfangreich als Funktions-Shortcuts nutzte bzw.sie durch gewünschte Funktionen ergänze muss ich des öfteren zu Anwendungen mit kleineren Menüs wechseln um sie benutzen zu können. Nicht kritisch aber doch ärgerlich.

Ähnliches gilt für die sonstigen Fensterfunktionen. Dass es keinen echten Maximieren-Button gibt ist, trotz aller Rechtfertigungsversuche aus dem Mac-Lager, in meinen Augen schlicht blöde. Nein, die Anwendung weiss in der Regel NICHT besser bei welcher Größe sie dargestellt werden sollte! Hier trumpft wieder diese vollkommen unpragmatische Ästhetik-Fixierung auf, wegen der ich mich auch generell am MacOS-Design irgendwann unwiederbringlich sattgesehen hatte. Ich empfinde inzwischen das weniger geschliffenere und weichgezeichnetere, dafür aber irgendwie klarer fokussierte Design von Gnome deutlich ansprechender. Wohl eine Glaubensfrage, aber für mich steht fest: Mein OS muss NICHT in erster Linie schön sein, und vor allem: Ästhetik und Ergonomie gehen NICHT den ganzen Weg lang Hand in Hand.

Das Dock finde ich ehrlich gesagt nachwievor ok, wenn auch nicht allzu sensationell. Sowas gibts auch woanders, wie unter Ubuntu in halbdutzendfacher Ausführung. Dasselbe gilt für Quicksilver, ein inzwischen für mich unverzichtbares Konzept, dessen sich Apple selbst eh nicht direkt rühmen kann.

Tasten
Ja, albern ich weiss. Aber ihr wisst ja garnicht wie wohltuend es ist plötzlich wieder Bild-rauf und Bild-runter-Tasten zu haben! Das @-Zeichen wieder unter Alt Gr+Q zu finden! Überhaupt die ganzen Mac-Shortcuts wieder aus dem Hirn zu verbannen wo diese ein heilloses Durcheinander angerichtet haben.

Und don't get me started about the "Mighty Mouse"! Ich kenne kein Stück Hardware welches das Prädikat "Zwanghaft anders" besser verdienen würde. Bzgl. der rechten Maustaste (ja, die gibt es nicht wirklich, die wird per Drucksensor am rechten Rand der Maus realisiert) habe ich in besten Zeiten eine Treffergenauigkeit von 80% erzielt. Das Ding ist schwer, viel schwerer als normale Mäuse, und damit auch unbeweglicher (das kommt euch vielleicht zimperlich vor, war aber mein Eindruck jedesmal wenn ich wieder eine normale Maus zwischen den Fingern hatte). Das mikrige Scrollrad (bzw. seine Sensoren) ist bei mir schon seit Monaten verklebt. Sauber machen kann man die natürlich nicht, dann würden für die benötigte Klappe ja häßliche Spalten entstehen. Man muss ja Prioritäten setzen.

Also bewegt man die Scrollbalken wieder per Mausklick wie Anno 1993. Dann doch lieber eine altehrwürdige abgegriffene Logitech-Maus, vielleicht abgewetzt aber fast unkaputtbar.

Software
Es ist nicht so, dass es für den Mac weniger frei verfügbare Software gäbe als für andere Plattformen, siehe meine Toolbox. Einige kritische Punkte konnte ich jedoch nicht wirklich besetzen (bzw. habe Zuflucht im Java-Lager gefunden, wieder siehe Toolbox). Zum Beispiel einen anständigen VNC-Client mit Unterstützung für internationale Tastaturen. Manchmal bei wichtigen Wartungsarbeiten per VNC auf fernen Desktops erwische ich mich dabei, dass ich mich weniger mit dem eigentlichen Problem beschäftige als damit festzustellen, wo auf dem fernen Desktop Backslash, Doppelpunkt etc. sind.

Java
Rein subjektiv fühle ich mich als Java-Entwickler auf der MacOS-Plattform als Bürger zweiter Klasse. Wie gesagt, das ursprüngliche Integrationskonzept von Java in die Mac-Plattform halte ich weiterhin für geglückt und theoretisch sind die besten Voraussetzungen für eine harmonische Koexistenz gegeben. Aber da Apple Java öffentlich, verbal so wie auch faktisch die Liebe entzogen hat, frage ich mich ob ich auf dem Mac auch in Zukunft noch gut aufgehoben sein werde.

Ganz handfest sehe ich ein Problem darin, weiterhin meine Entwicklungsplattform Eclipse auf einem Mac zu betreiben. Eclipse basiert auf "Carbon", einer Widget-Library die bei Apple als veraltet gilt und nach heutigem Plan niemals für 64-Bit-Programme portiert wird. Auf der anderen Seite werden aktuellere Java-VMs als Version 5 in zukunft wohl NUR als 64-Bit-Versionen verfügbar sein, so wie aktuell schon das arg verspätete und qualitativ höchst zweifelhafte Java 6. Das heisst faktisch: Mit Eclipse bin if auf MacOS bei Java 5 gestrandet und werde es nie unter einer aktuelleren VM betreiben können.

Andere Unternehmen würden dieses Problem ihrer Kunden sehen, und dafür sorgen dass sie es irgendwie lösen, beispielsweise die IBM der man vieles vorwerfen kann, aber nicht dass sie die Benutzer ihrer Ex-Platfformen über die Planke schickt wenn sie keinen Bock mehr auf irgendeine Technik haben. Apple unter Jobs hingegen ist dies meiner Meinung nach ohne große Umstände zuzutrauen.

Kontrolle
Selbst Volker Weber, Journalist, Consultant und für gewöhnlich Advokat von Mac-Technik aller Art, sagt "Don't buy a mac" wenn a) andere Hersteller von Software die du brauchst den Mac nur scheinbar unterstützen b) du gerne an deinem System herumoptimierst und c) du gerne mit der "latest&greatest" software expermentierst. Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage mindestens bzgl. b) und c). Ein für meine zwecke hochoptimiertes System zu haben, bzw. diesem "Ideal" in einem permanten Prozess entgegenzustreben ist mir eine Herzensangelegenheit.

Der Mac ist eine hervorragende "Out of the box"-Plattform für alle die ein möglichst optimales System "Out of the box" haben wollen. Für alle die sich dabei erwischen, darüber hinaus zu denken "eigentlich wäre es ja cooler, wenn dies&das anders wäre", bzw. die davon ausgehen das tatsächlich dann auch erreichen zu können, wird ihre Unmündigkeit auf der Mac-Plattform früher oder später zu einem Gräuel. Für manche Dinge die auf dem Mac einfach so funktionieren konfiguriere ich mir zwar auf Linux teilweise nächtelang die Finger wund, dann funktioniert es aber in der Regel genau so wie ich es möchte. Ob es andere Leute gibt denen das ein Gräuel wäre? Aber sicher!

Abschied
Wie so oft, wenn man irgend etwas hinter sich lässt und abschliessend die schmutzige Wäsche wäscht wirkt das ganze härter und verbitterter als es tatsächlich ist. Ja, ich bin MacOS leid, aber dennoch sehe ich immernoch was mich ursprünglich fasziniert und auch begeistert hat (man bedenke, ich kam ja von Windows ;-). Nur dass ich diese Konzepte inzwischen woanders auch bekomme, zusammen mit noch anderen Vorteilen.

So so long, MacOS, no hard feelings. Es war wirklich interessant deine Konzepte kennen zu lernen und werde dich auch weiter voller Überzeugung dem "casual user" ans Herz legen (wenn du mit "Snow leopard" deine alte Robustheit wiedererlangst), aber ich persönlich werde definitv woanders glücklicher.

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