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Männer mit (Film-)Kameras

Gehen mir royal auf den Sack.

Beim Einschulungsgottesdienst deines Sohnes, während alle Kinder sich um Kreis um den Altar versammeln um vom Pfarrer gesegnet zu werden, bilden sie einen zweiten, äusseren Kreis um diesen "erhabenen Moment" für ewig festzuhalten (und sich dann vermutlich nie wieder anzusehen) und schirmen damit die Kinder von der Sicht aller anderen Eltern ab. Die dezente Aufforderung des Pfarrers der Zeremonie ihr Recht auf Würde zu gewähren wird beflissentlich überhört. Vielleicht sollte sie das nächste mal etwas weniger dezent ausfallen.

Später bei der Einschulung selbst nehmen sie jeden auch nur so trivialen Augenblick mit auf ihre Bänder und Festplatten, ob es die Begrüßungs-Aufführung der älteren Klassen, die Vorstellung der Klassenlehrer oder der Aufruf JEDEN EINZELNEN Kindes zur jeweiligen Klasse ist.

Sie haben all diese Ereignisse für die Ewigkeit festgehalten. Aber eigentlich waren sie selbst nie aus erster Hand wirklich "dabei". Alles haben sie permanent nur über ihren Mini-LCD-Bildschirm wahrgenommen, verzweifelt bemüht die "Action" immer in die Bildmitte zu bekommen, waren immer nur Konsument. War die Schultüte eigentlich blau oder grün? Keine Ahnung, schauen wir mal auf dem Film nach...

Nennen wir euch das was ihr seid: Kinder mit teuren Spielzeugen die nur eine weitere Gelegenheit sehen dieses Lieblingsspielzeug zu verwenden. Die Ereignisse interessieren euch einen Dreck. Wenn ihr davon erzählt werdet ihr nicht sagen wie niedlich euer Zögling mit dem noch viel zu großen Tornister aussah, ihr werdet erzählen wie toll euch jetzt die Überblende von der "Gottesdienstszene" auf die "Einschulungsszene" gelungen ist. Und alle im Wohnzimmer werden beflissentlich nicken und innerlich stöhnen weil noch eine weitere Stunde trivialer Menschen-Stehen-Herum-Szenen zu bewältigen sind. Ist ja auch irrsinnig spannend die ganze Sache nochmal per Kamera-Tunnelblick in epischer Breite nachzuverfolgen. Hätten es da nicht ein paar Fotos auch getan?

Ich bin natürlich grundsätzlich kein Feind davon, erinnerungswürdige Ereignisse irgendwie festzuhalten, mache ich natürlich auch. Aber erstens ist gerade hierbei weniger oft mehr, und vor allem: Wenn ich merke dass durch mein Filmen/Fotografieren das Ereignis selbst für mich oder andere verhagelt wird, dann habe ich doch die "menschliche Größe" es einfach sein zu lassen und konzentriere mich lieber darauf dieses Ereignis direkt und vollkommen und bewusst zu erleben.

Aber bei Leuten die erleben nicht mehr von konsumieren unterscheiden können, ist die Hoffnung auf diese Einsicht wohl zuviel verlangt.

Rant Ende.
Kommentare:

Dina Dienstag 25. August 2009, 08:40

Sehr schön auf den Punkt gebracht. Dem ist nichts hinzuzufügen außer meiner Zustimmung!

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