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(Sozusagen) über das Heimwerkeln

homeoffice.jpgUnter den Säuen welche durch die medialen Dörfer getrieben werden ist seit neuestem das Home Office - das Arbeiten als Angestellter vom heimischen Büro aus - wieder vertreten, und zwar mit einem negativen Vorzeichen. Bei Yahoo, einem Unternehmen mit langjähriger Home-Office-Tradition, wurden die Mitarbeiter wieder an ihre (nichtheimischen) Bürotische gerufen, weil dort wohl einige Dinge ordentlich aus dem Ruder gelaufen sind. Und als hätten sie darauf gewartet (was sie wahrscheinlich haben) schlagen nun als Antwort diverse Personalverantwortliche quer durch die Wirtschaft ihre Zähne in das ach so moderne Konzept und jammern über Kontrollverlust, Schönrechnerei und den allgemein vertrauensunwürdigen Angestellten, der sich Zuhause dem Lenz allgemein sowie einer wachsenden inneren Distanz zum Konzern hingibt.

Zum Glück gibt es auch weiterhin positive Stimmen in der Kakophonie an Meinungen. So hat ein Artikel der Süddeutschen neulich eine Lanze für das Home Office gebrochen und stellte die Vorteile, wie ich finde recht präzise (wenn auch wieder tendentiell zu schönfärberisch) heraus. Ich selbst als langjähriger partieller "Heimarbeiter" kann nicht anders, als mal ein paar bescheidene Worte beizusteuern.

Zunächst: Ich finde die gesamte Diskussion krankt, wie so oft, an zu viel "Ganz oder Garnicht". Ja, ein Mitarbeiter der nahezu ausschließlich von zuhause arbeitet verliert langfristig Draht zur restlichen Belegschaft, was nicht gut ist. Ja, in einem Unternehmen oder einer Branche mit niedriger Arbeitsmoral, wo es tatsächlich notwendig ist dass der Chef mit der Peitsche zwischen seinen Unterlingen rotieren muss damit etwas Verwertbares zustande kommt, da ist Home Office Gift. Ja, ein Fahrbahnschaffner dürfte logistisch damit überfordert sein, seinen Tätigkeitsbereich von zu Hause aus auszuüben. Ja, Home Office hat nicht nur Vorteile, was nicht heißt das diese eventuelle Nachteile nicht überwiegen kann. Also ja: Home Office ist nicht blind einzusetzen. Haben wir das? Schön.

Dann erstmal kurz zu der Art, wie ich selbst Heimarbeit begehe: Solange die Planung es zulässt bin ich zwei Tage pro Woche zuhause, normalerweise immer dieselben Wochentage die nicht unmittelbar hintereinander liegen. Darüber hinaus vermeide ich es, morgentliche Staus noch länger zu machen und lege bei deren Auftreten (was ich beim Frühstück per Netzdienst checke) auch an den sonstigen Tagen zunächst eine Stunde von zuhause aus los um dann später erst "rein" zu kommen. Auch das natürlich nur dann, wenn meine physische Anwesenheit nicht dringend direkt morgens gefordert ist.

Diese Gegebenheiten der notwendigen physischen Anwesenheit sind in meinem Betätigungsfeld als Softwerker mit hauptsächlich entwickelnder Tätigkeit, aber auch mit administrativen wie Support-Anteilen sehr gering. Eigentlich beschränkt es sich auf Konzeptions-Meetings sowie auf die Anleitung anderer Mitarbeiter zu neue Aufgaben. Beides lässt sich in der Regel gut im Voraus auf Anwesenheits-Tage verplanen. Mein Heimbüro liegt im zweiten Stock meines Eigenheims, wo niemand aus sonstigen Gründen durch muss und ich vom Treiben meiner Familie komplett isoliert bin. Bis es Mittagessen gibt :)

Zu einigen der diskutierten Punkte:

Wer sich auf den Standpunkt stellt, man wäre zuhause zu vielen domänenfremden Ablenkungen ausgesetzt, der geht meiner Meinung nach zunächst von einem unzureichend "isolierten" Heimbüro aus und überschätzt ebenso das gemeinschaftliche Büro als idealen Arbeitsraum, der es nicht ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mir speziell für die Heimtage Aufgaben aufhebe die längere Konzentrationszeiten benötigen als ich sie im normalen Büro als gesichert ansehen kann. Und mit dortigen Konzentrations-Gefährdungen ist natürlich nicht der normale Kontakt zu Mitarbeitern gemeint, der auch Zuhause per Telefon, Chat und Mail erhalten bleiben muss, sondern vielmehr der "Beifang" an Ablenkungen durch Telefonate und Gespräche anderer. Natürlich alles meistens nicht allzu kritisch, aber wenn man dem zeitweise aus dem Weg gehen kann, warum sollte man das nicht tun? Der Qualität der Arbeit ist es sicherlich nicht abträglich, alles vorausgesetzt dass man Zuhause nicht gegen den Lärm spielender Kinder o.ä. anarbeiten muss.

Ist man deswegen im Home Office zwangsweise produktiver? Vielleicht, auch wenn ich dem was Studien hier in zweistelligen Prozentzahlen ausdrücken skeptisch gegenüberstehe. Es gibt gute und schlechte Tage zuhause wie im Büro. Manche konzentrationsintensiven Aufgaben haben meiner Meinung nach zuhause tatsächlich eine bessere Chance gut zu gelingen, aber eigentlich würde ich auf dieser Basis gar nicht argumentieren wollen, einfach weil jemand Übelmeinendes allzu schnell annehmen könnte, im Home Office müsse alles immer besser sein und wenn es das mal erwiesener Maßen nicht ist sei das Konzept gestorben.

Ein weiteres Studienergebnis, dem ich sehr kritisch gegenüberstehe, ist die Behauptung, kreative Arbeit sei nur bedingt Home-office-geeignet weil die besonders guten Ideen in der Regel durch zufällige Gespräche beim Wasserspender o.ä. entstehen. Mal abgesehen davon, dass hier wieder vom nahezu reinrassigen Heimbesetzer ausgegangen wird, habe ich einiges an dieser These auszusetzen, zunächst einmal dass ich diese Ansicht schlicht nicht teile. Ein großer Anteil meiner Arbeit benötigt kreative Prozesse, und für mich persönlich kann ich nicht behaupten, dass ich bei Kommunikation besonders gute Ideen habe. Das heißt nicht, dass dies grundsätzlich so sein muss - für andere Leute mag dies funktionieren - sondern weil ich persönlich einfach nicht so "ticke". Stattdessen brauche ich auch hier wieder eher Ruhe und entspannte Konzentration um ein Problem klar vor mir sehen zu können und dann, nahezu wie etwas was sich aus dem Hintergrund löst, ebenso klar auf eine magisch passende Lösung zu blicken. Das passiert an den unmöglichsten Orten und Zeiten (auffällig oft unter der Dusche...) und ist nicht wirklich kontrollierbar.

Gehen wir aber ruhig einmal zurück zu den Wasserspender-Brainstormern: Selbst wenn sie gerade über einem Schluck Wasser den Geistesblitz des Jahres produziert haben brauchen sie - neben weiteren Besprechungen - doch auch wieder Ruhe und Konzentration, um die Idee zu konkretisieren, einen "Reality-Check" anzustrengen und ein echtes, tragfähiges Konzept zu entwickeln und letztlich zu realisieren, wo dann das Home Office wieder seine Stärken ausspielt. Kreativität ist ein Prozess, und kann nicht nur auf den "Funken der Erkenntnis" reduziert werden.


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Kommentare:

Ingo Sonntag 28. April 2013, 21:30

Schöner Artikel, stimme dem auch soweit zu. Problematisch an Heimarbeit finde ich, aber das ist sehr persönlich, die notwendige Grund-Disziplin aufzubringen. Irgendwie gibt es zu Hause auch immer Sachen, die gerade unheimlich wichtig sind. Ein eigenes Home-Office-Zimmer nur für diesen Zweck ist da sicherlich hilfreich.

Und ja... die Gespräche an der Kaffeemaschine dienen auch meiner Erkenntnis nach in keinster oder kleinster Weise dazu, die eigene Kreativität zu fördern.

Guido Sonntag 28. April 2013, 21:40

Ich muss eine Lanze für die Gespräche an der Kaffeemaschine brechen (ja, die am Wasserspender sind wirklich eher nichtssagend - nein im Ernst) - sich die Musse für die Diskussion eines Problems zu nehmen, ohne dass das Ziel die Lösung ist, hat schon oft das Ganze einen unerwarteten Schritt weitergebracht.
Aber wir diskutieren hier ja nicht (darauf hat Herr Weise vortrefflich und ausreichend hingewiesen) über ein Ganz oder Garnicht.

Sehr erhellende Worte zum Thema, ich versuche das auch mal anzugehen, und auch ich fürchte um meine Selbstdisziplin. Aber wenn mans schafft (Hut ab) die eigene Planung so zu strukturieren, dass man sich Tätigkeiten speziell für die Heimarbeit zurechtlegt, dann sollte die Disziplin auch noch gelingen. Und eben, man (und die Kollegen) ist ja doch stets erreichbar und damit der Knowhow-pool anzapfbar.

Insofern hoffe ich ebenso, den Stau ein wenig verkürzen zu können, und sei's nur jede zweite Woche für nen Tag...

Zum Thema politische Diskussionen von Modethemen kann ich garnicht soviel fressen wie ich kotzen möchte ;-))

Oliver Montag 29. April 2013, 11:49

Danke für eure Zustimmung, Jungs! Die Kommunikation an Kaffemaschine/Wasserspender mag hilfreich sein, aber wie ich finde eher weniger in kreativer Richtung, sondern mehr darin die Kommunikation aufzuholen die man eigentlich längst hätte auf anderem Wege machen sollen. Ja, dabei sind manchem schon Schleusentore der Erkenntnis aufgestoßen worden :)

Das Argument mit dem "Da komme ich viel zu sehr in Versuchung, private Dinge zu machen" höre ich nicht zum ersten mal, ist aber vielleicht auch einfach Gewöhnungssache die Zeit im HO wirklich als Arbeitszeit zu empfinden und sich nicht allzusehr "zu Hause" zu fühlen. Ausserdem bin ich dagegen wohl sowieso immun, da ich in heimischen Dingen abartig faul bin und sowieso nur Aufgaben sehe auf die ich gerade keinen Bock habe ;)

Ingo Donnerstag 09. Mai 2013, 22:48

"Ausserdem bin ich dagegen wohl sowieso immun, da ich in heimischen Dingen abartig faul bin und sowieso nur Aufgaben sehe auf die ich gerade keinen Bock habe" -- das wird mir auch nachgesagt! ;)

Aber zu solchen Extremen muss es ja nicht kommen. Alleine der Fakt, dass ich Zuhause einen Rechner benutze, der in keinem Firmennetz registriert ist, verzögert schon mal das Eintauchen in Probleme für die ich am letzten Ende dann doch "nur" bezahlt werde. Da finden sich dann Anwendungen drauf, die z.B. ganz dringen aktualisiert werden müssen oder gerade mal nicht so funktionieren, wie sie sollen, oder... oder... oder... Alles nicht wichtig, klar, aber auch sehr ablenkend.

Oliver Freitag 10. Mai 2013, 14:03

" Alleine der Fakt, dass ich Zuhause einen Rechner benutze, der in keinem Firmennetz registriert ist"

Dann habe ich wohl noch einen wichtigen Aspekt meiner HO-Architektur vergessen: Den Rechner. Ich benutze sowohl zuhause wie auch im eigentlichen Büro denselben Laptop, der entsprechend auch rein dienstlich eingerichtet ist. An beiden Orten klemme ich ihn an einen externen Monitor. Zuhause fahre ich noch das VPN hoch, über welches ich ins Firmennetz komme.

Zwei Rechner für Büro und HO habe ich bei anderen schon gesehen, halte ich aber tatsächlich für wenig praktikabel und eigentlich auch nicht wirklich vorteilhaft, da nur teurer und aufwändiger. YMMV.

Mein Setup hat auch den weiteren Vorteil, dass ich entsprechend nicht nur Zuhause mit meinen "Schlachtroß"-Rechner voll einsatzfähig bin, sondern im Grunde überall wo ich das Ding dabei habe. Das ist auch und gerade beim Kunden schonmal kriegsentscheidend.

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